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Die persönliche Information des Betreuten ist Pflicht

Betroffene müssen in einem Betreuungsverfahren persönlich über ein über sie eingeholtes Sachverständigengutachten informiert werden. Es reicht nicht aus, dass das Gutachten nur dem gesetzlichen Betreuer, dem Verfahrenspfleger und den beteiligten Eltern übermittelt wird, beschloss der Bundesgerichtshof. (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.10.2019, Az. XII ZB 118/19)

Das ist passiert:

Eine Betreute wollte die Betreuung aufheben lassen und klagte solange, bis ihr Fall letzten Endes vor dem Bundesgerichtshof landete. Dieser verwies das Verfahren an das Landgericht zurück. Daraufhin hat das Landgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage des Fortbestehens der medizinischen Voraussetzungen für die angeordnete Betreuung eingeholt, das der Sachverständige am 10.1.2019 vorgelegt hat. Dieses Gutachten ist dem Betreuer, dem Verfahrenspfleger und den beteiligten Eltern der Betroffenen, nicht jedoch der Betroffenen selbst übermittelt worden. Das Landgericht hat nach Anhörung der Betroffenen die Beschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer erneuten Rechtsbeschwerde erstrebt die Betroffene weiterhin die Aufhebung der Betreuung.

Darum geht es:

Es geht darum, ob ein über ihn erstelltes Gutachten, dem Betreuten persönlich vorgelegt werden muss oder ob es ausreichend ist, wenn es lediglich dem Betreuer, dem Verfahrenspfleger und den beteiligten Eltern der Betroffenen vorgelegt wird.

Die Entscheidung:

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten der Betroffenen nicht in seinem vollen Wortlaut persönlich zur Verfügung gestellt wurde.

Nach § 37 Abs. 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) darf das Gericht eine Entscheidung, welche die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte. Genau das war hier nicht der Fall, weil der Betroffenen das Gutachten nicht persönlich zur Verfügung gestellt wurde. Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen nicht vor.
Insbesondere reicht es nicht aus, dass die Betroffene die Ausführungen des Sachverständigen während des Anhörungstermins hören konnte. Dort wurde der Sachverständige zu seinem schriftlichen Gutachten ergänzend befragt. Dies genügt den verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht, weil der Betroffenen damit die Möglichkeit genommen worden ist, sich auf den Anhörungstermin ausreichend vorzubereiten und durch die Erhebung von Einwendungen und durch Vorhalte an den Sachverständigen eine andere Einschätzung zu erreichen.

Die Bekanntgabe des Gutachtens an den Verfahrenspfleger ersetzt eine Bekanntgabe an den Betroffenen nicht, denn der Verfahrenspfleger ist – anders als ein Verfahrensbevollmächtigter – nicht Vertreter des Betroffenen im Verfahren.

Ebenso wenig konnte die erforderliche persönliche Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens an die Betroffene durch die Übersendung des Gutachtens an den Betreuer ersetzt werden. Selbst wenn der Betreuer mit der Betroffenen über das Gutachten gesprochen hätte, wofür jedoch Feststellungen fehlen, genügte dies allein nicht, um dem Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör gerecht zu werden.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis:

Ganz konsequent wendet der Bundesgerichtshof die bereits bestehenden Gesetze zum Schutz von Betroffenen an. Das Landgericht hätte diese Entscheidung nicht treffen dürfen, denn sie widerspricht klar dem Wortlaut des § 37 Abs. 2 FamFG.

Vor diesem Hintergrund ist auch die Praxis einiger Heime, die Post nicht dem Betreuten selbst auszuhändigen, sondern sie für den Betreuer zu verwahren, mehr als kritisch zu sehen. Machen Sie die Mitarbeiter in Heimen darauf aufmerksam, dass die Post den betreuten Menschen persönlich auszuhändigen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.10.2019, Az. XII ZB 118/19