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Sind Corona-Schutzimpfungen genehmigungspflichtig?

Ein gesetzlicher Betreuer wollte offenbar seine Sache besonders gut machen und bat das Betreuungsgericht um Genehmigung einer Corona-Schutzimpfung für seine Betreute. Das Amtsgericht verweigerte die Genehmigung – und letzten Endes musste das Landgericht Stuttgart entscheiden. Mit welchen Argumenten das Landgericht die Beschwerde abgewiesen hat, lesen Sie in dieser Besprechung.


Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 30.8.2021, Az. 10 T 173/21

Das ist passiert:

Im Dezember 2020 beantragte ein gesetzlicher Betreuer beim Betreuungsgericht, die Genehmigung der Einwilligung in eine Corona-Schutzimpfung der Betroffenen zu erteilen. Dabei berief er sich auf § 1904 Abs. 1 BGB. Danach bedarf die Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist.


Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens vom 1.3.2021 und Einholung eines Gutachtens eines  Sachverständigen vom 15.2.2021 hat das Amtsgericht den Antrag des Betreuers zurückgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Genehmigungspflicht nach § 1904 Abs. 1 BGB nicht vorliegen, da keine begründete Gefahr des Todes oder einer schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schädigung der Betroffenen bei Durchführung einer Corona-Schutzimpfung bestehen würden.


Gegen diesen Beschluss legte der Betreuer Beschwerde ein.

Darum geht es:

Es geht darum, ob die Corona-Schutzimpfung ohne eine gerichtliche Genehmigung bei gesetzlich betreuten Menschen vorgenommen werden darf.

Die Entscheidung:

Der Betreuer hatte mit seiner Beschwerde vor dem Landgericht Stuttgart keinen Erfolg.


Das Landgericht argumentierte, dass keine begründete Gefahr gegeben sei. Diese von § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB geforderte begründete Gefahr liegt nur dann vor, wenn ein Schadenseintritt bei der betreuten Person konkret und naheliegend möglich ist. Nicht ausschließbare Risiken führen nicht zu einer Genehmigungspflicht.
Bei der beabsichtigten Impfung handelt es sich um eine behördlich empfohlene Impfung mit zugelassenen Impfstoffen. Dass es im Zusammenhang mit Corona-Schutzimpfungen – wie etwa aus dem Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts vom 15.7.2021, auf welchen der Verfahrenspfleger hingewiesen hat, hervorgeht – in Einzelfällen zu Nebenwirkungen und Komplikationen kommt, stellt das mit der Impfung allgemein verbundene Risiko dar. Anhaltspunkte dafür, dass neben diesem nicht ausschließbaren allgemeinen Risiko die konkrete und naheliegende Gefahr eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens oder gar des Todes der Betroffenen besteht, liegen nicht vor und werden auch vom Betreuer nicht vorgetragen. Er beschränkt sich vielmehr darauf, allgemeine Risiken aufzuzeigen.


Aus dem Sachverständigengutachten vom 15.2.2021 geht hervor, dass kein erhöhtes Risiko für Todesfälle und schwere Nebenwirkungen bei älteren Personen bei Impfungen mit den zugelassenen mRNA-Impfstoffen besteht. Aus dem bereits erwähnten Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Corona-Schutzimpfung bei älteren Menschen grundsätzlich mit der konkreten und naheliegenden Gefahr eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens oder gar des Versterbens verbunden ist.


Die Einwilligung von gesetzlichen Betreuer:innen in die Corona-Schutzimpfung ist also nicht genehmigungspflichtig.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis:

Gerichtsentscheidungen sind meist ein Spiegel der gesellschaftlichen Realität. Diese Entscheidung ist ein schönes Beispiel dafür. Der eine sehnt die Impfung herbei, der andere begegnet ihr mit Skepsis.
Nichtsdestotrotz hat das Landgericht Stuttgart Ihre Aufgaben als gesetzliche:r Betreuer:in erleichtert. Sie brauchen keine Genehmigung, um die von Ihnen betreuten Menschen impfen zu lassen, sofern im konkreten Fall keine weiteren gesundheitlichen Umstände dagegen sprechen.


Quelle: Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 30.8.2021, Az. 10 T 173/21