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Wer darf gegen die Entscheidung des Betreuungsgerichts, einen bestimmten Betreuer zu bestellen, Beschwerde einlegen?

Grundsätzlich sind nahe Angehörige gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) befugt, Beschwerde einzulegen. Für diese sogenannte Beschwerdebefugnis ist aber maßgeblich, dass das Rechtsmittel dem objektiven Interesse des Betroffenen dient. Dabei ist ausreichend, dass der Rechtsmittelführer Interessen des Betroffenen zumindest mitverfolgt, hat der Bundesgerichtshof entschieden; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8.1.2020, Az. XII ZB 410/19

Das ist passiert:

Eine unter einer Demenzerkrankung leidende Mutter hatte zwei Söhne. Einer ihrer beiden Söhne wurde als Betreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge sowie Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt. Zur Ersatzbetreuerin mit dem Aufgabenkreis Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung wurde die Ehefrau des Sohnes bestellt.

Der andere Sohn war damit nicht einverstanden und beantragte beim Amtsgericht, seinen Bruder als den Betreuer sowie dessen Ehefrau als Ersatzbetreuerin zu entlassen und stattdessen eine neutrale, familienfremde Person zum Betreuer zu bestellen.

Das Amtsgericht hat den beantragten Betreuerwechsel abgelehnt. Die gegen die Ablehnung des Betreuerwechsels gerichtete Beschwerde des Sohnes hat das Landgericht verworfen. Daraufhin wendete dieser sich an den Bundesgerichtshof.

Darum geht es:

Es geht darum, ob der Sohn, der nicht mit der Betreuung durch seinen Bruder einverstanden ist, eine Beschwerdebefugnis hat und sich deshalb gegen die Entscheidung, den Betreuer nicht zu wechseln, mit Rechtsmitteln zur Wehr setzen kann.

Die Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof gab ihm Recht und nahm eine Beschwerdebefugnis an. Damit widersprach der Bundesgerichtshof der Auffassung des Landgerichts. Das Landgericht war der Auffassung, dass eine Beschwerdebefugnis nicht gegeben sei. Diese stehe beteiligten Angehörigen nach § 303 Abs. 2 Nr. 1FamFG nur zu, wenn die Beschwerdeeinlegung im Interesse des Betroffenen erfolge. Hier habe der Sohn aber nicht im Interesse seiner Mutter gehandelt, sondern er verfolge lediglich seine eigenen Interessen, denn die Mutter habe bei ihrer letzten Anhörung ausdrücklich bekundet, dass sie keinen Betreuerwechsel wünsche.

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass maßgeblich für die Beschwerdebefugnis naher Angehöriger nach § 303 Abs. 2 Satz 1 FamFG ist, ob das Rechtsmittel dem objektiven Interesse des Betroffenen dient. Eine Beschwerdebefugnis besteht nur dann nicht, wenn der Rechtsmittelführer erkennbar ausschließlich eigene Interessen verfolgt. Ausreichend ist also, dass der Rechtsmittelführer die Interessen des Betroffenen zumindest mitverfolgt. Das hat der Bundesgerichtshof zugunsten des Sohnes angenommen, denn er hat in seiner Beschwerdebegründung  Gründe dafür vorgetragen, warum sein Bruder das ihm übertragene Betreueramt in vermögensrechtlichen Angelegenheiten angeblich nicht zum Wohl der Betroffenen ausübe. Insbesondere hat er hierbei auf einen Interessenkonflikt seines Bruders hingewiesen, der sich daraus ergeben könnte, dass sein Vater diesem Sohn ein Darlehen gewährt hat, dessen Rückzahlung gefährdet sein könnte, sollte der Sohn weiter zum Betreuer in Vermögensangelegenheiten bestellt bleiben. Sofern diese Behauptungen zutreffen, könnte es auch im Interesse der betreuten Mutter liegen, einen neutralen Betreuer an ihrer Seite zu haben.

Aus diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis:

Abgesehen von den rechtlichen Schlussfolgerungen, dass es für eine Beschwerdebefugnis ausreichend ist, wenn der Beschwerdeführer geltend machen kann, die Interessen des Betreuten mitzuverfolgen, zeigt die Entscheidung auch, wie wichtig Vorsorgevollmachten sind. Mit Hilfe einer Vorsorgevollmacht können unerwünschte Betreuungen vermieden werden.

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8.1.2020, Az. XII ZB 410/19